Was ist User Experience (UX)?
Zusammenfassung
UX umfasst sämtliche Emotionen und Erwartungen vor, während und nach der Nutzung eines Produkts oder Dienstleistung. Der Begriff beinhaltet mehr als nur (Visual) Design und Usability.
Was ist User Experience?
“User Experience” ist in der Softwareentwicklung mittlerweile ein häufig genannter Begriff. Das Problem an dem Begriff ist, dass jeder etwas anderes darunter versteht. Viele verwechseln UX mit Visual Design, andere verstehen darunter Usability und wieder andere nutzen ihn für die Frontend Entwicklung einer Software.
Schaut man bei Wikipedia findet man folgende Definition des Begriffs:
Der Begriff User Experience (Abkürzung UX, deutsch wörtlich Nutzererfahrung, besser Nutzererlebnis oder Nutzungserlebnis – es wird auch häufig vom Anwendererlebnis gesprochen) umschreibt alle Aspekte der Erfahrungen eines Nutzers bei der Interaktion mit einem Produkt, Dienst, einer Umgebung oder Einrichtung. Dazu zählen auch Software und IT-Systeme.*
Eine weitere Definition von UX findet man in der ISO Norm 9241 – 210. Dort umfasst UX sämtliche Emotionen, Vorstellungen, Vorlieben, Wahrnehmungen, physio- und psychologischen Reaktionen, Verhaltensweisen und Leistungen, vor, während und nach der Nutzung. Oder etwas kürzer ausgedrückt:
Die UX umfasst Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und / oder erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren. Aber was bedeutet das genau?
UX vor der Nutzung
User Experience findet schon lange vor der eigentlichen Nutzung eines Systems, eines Produkts oder einer Dienstleistung statt. In Customers Journeys ist dies oft sehr gut dargestellt. Es gibt immer Touchpoints bevor der Kunde direkt mit einem Unternehmen oder Organisation in Kontakt tritt. Hier beginnt bereits die User Experience (=UX).
Aber was genau daran ist UX?
Die Wahrnehmung einer Marke oder eines Unternehmens, so wie der Ruf bzw. die Reputation die das Unternehmen hat – all dies gehört zur User Experience. Ich versuche das am Beispiel eines Autokaufs deutlich zu machen.
Stelle dir vor, du möchtest ein Auto kaufen. Da hat sicherlich jeder seine ganz eigenen Vorstellungen davon. Jeder hat andere Marken im Kopf, die ihn bei der Entscheidung beeinflussen, was es für ein Auto werden soll. (Hinweis: Das folgende Beispiel spiegelt meine persönliche Markenwahrnehmung wieder und ist keine objektive Messlatte für deinen nächsten Autokauf!)
Wenn ich zum Beispiel ein Fahrzeug möchte, das mir Sicherheit bietet, schnell auf der Autobahn unterwegs ist, mir aber trotzdem ungeheuren Komfort bietet, dann orientiere ich mich eher an Premium Marken aus diesem Segment. Dazu gehören zum Beispiel Marken wie Mercedes, Audi oder BMW. Ich habe also implizit eine Erwartung an mein Auto und das noch bevor ich überhaupt in einem Autohaus war oder gar ein Fahrzeug zur Probe gefahren bin.
Das bedeutet, dass die Marke schon an dieser Stelle einen unglaublichen Einfluss auf meine spätere User Experience hat, denn sie lässt in mir eine Erwartungshaltung entstehen. Und so geht es dem Nutzer oder dem Kunden nicht nur beim Autokauf, sondern bei nahezu allem, was er konsumiert oder erlebt.
UX während der Nutzung
User Experience während der Nutzung wird oft sehr stark mit dem Visual Design, Usability und den unterschiedlichen Funktionen verbunden. Sehr kritisch wird es jetzt, wenn explizite Erwartungen, die vielleicht sogar noch vom Marketing beworben wurden, nicht erfüllt werden. Christoph Keese gibt hierzu ein sehr gutes Beispiel in seinem Buch Silicon Germany*, auf das ich gleich noch eingehen werde.
Was ist Visual Design?
In der Software Entwicklung wird als Visual Design vor allem das Layout, die Ästhetik, als auch die Anmutung einer Software bezeichnet. Bei ‚Hardware‘-Produkten wie Fahrzeugen kommen zum visuellen Aussehen eines Fahrzeugs noch andere Design Aspekte wie zum Beispiel die Haptik des Lenkrads, als auch Gerüche und Geräusche hinzu. Es gibt in der Automobilindustrie Labore, die wochenlang damit beschäftigt sind, dass beste Blinkergeräusch herauszufinden. Daran kann man auch gut erkennen, wie wichtig Design für eine gute User Experience ist. Aber ein gutes Design alleine reicht eben nicht für eine gute UX aus. Dazu braucht es unter anderem auch Usability.
Was ist Usability?
Nach ISO Norm 9241 wird Usability wie folgt beschrieben:
Als das Ausmaß, in dem ein interaktives System, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um festgelegte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.*
Aber was bedeutet das nun genau?
Effektiv: Ein System wird als effektiv bezeichnet, wenn der Nutzer in der Lage ist, all seine Aufgaben mit dem System vollständig und genau zu erfüllen.
Effizient: Ein System ist dann effizient, wenn der Nutzer genauso viele Ressourcen (zum Beispiel: Zeit, Geld oder kognitive Kapazität) einsetzen muss wie notwendig, aber auch nicht mehr.
Zufriedenstellend: Ein System ist dann zufriedenstellend, wenn es frei von Beeinträchtigungen genutzt werden kann (Stichwort: Barrierefrei) und eine positive Einstellung zur Nutzung des Systems erzeugt.
Diese Definitionen sind für viele recht kryptisch und schwer zu behalten. Kurz gesagt, frei nach den Worten von Steve Krug*. Ein System hat dann eine gute Usability wenn der Nutzer nicht nachdenken muss, wie er ein System zu bedienen hat.
Was sind Features innerhalb der UX?
Features innerhalb der UX sind unmittelbare Funktionen, die dem Nutzer einen Mehrwert bieten. Einige Funktionen in der Software werden beispielsweise nur umgesetzt, um ein System stabil zu halten oder um eine höhere Datensicherheit zu gewährleisten. Selbstverständlich sind diese Funktionen nützlich, aber sie sind für den Kunden oft nicht unmittelbar greifbar. Manchmal werden Funktionen umgesetzt, die Kunden nicht gut finden und damit auch keinen Mehrwert für sie haben. Dazu gehören zum Beispiel gesetzliche Vorschriften oder manche Umsetzungen der DSGVO.
Oft haben Kunden eine bestimmte Erwartung an das Nutzererlebnis eines Produkts. Dieses wird oft vom Marketing direkt gesteuert und ‚manipuliert‘. Christoph Keese beschreibt einen Fall, der schief ging. In seinem Beispiel hat eine Firma einen Rasenmähroboter gebaut. Die Bedienung des Roboters wurde als “kinderleicht” umschrieben und entsprechend beworben. Das Versprechen des Marketings lautete in etwa so: “Einfach auspacken, auf den Rasen setzen und der Roboter mäht los.”
Zu diesem Zeitpunkt war dies allerdings technisch in der Form noch gar nicht umgesetzt. Der Kunde des Produkts musste erst aufwendig seinen Garten abstecken, damit der Roboter ‚erkennen‘ konnte, wie weit und was er alles zu mähen hatte.
Genau in diesem Moment kann die hohe Erwartungshaltung nicht erfüllt werden. Die UX sinkt dabei drastisch. Der Ärger über das nicht eingehaltene Versprechen ist größer, als die Freude über einen gemähten Rasen.
Unser Beispiel mit dem Autokauf
Wenn du dich nun für eine Marke und ein Fabrikat und Modell bei deinem Autokauf entschieden hast und alle anderen Rahmenbedingungen geklärt sind, dann kommt der große Moment. Du darfst nach Monaten des Wartens deinen Neuwagen beim Händler abholen. Du setzt dich in das Fahrzeug und startest. Dieser Vorgang entspricht dem Nutzererlebnis (=User Experience) während der Nutzung des Systems. Alles was jetzt im Auto passiert, beeinflusst deine UX. Du schaust ob alle Funktionen so sind, wie du sie gerne hättest. Dann wirst du feststellen, ob die Usability des Fahrzeugs gewährleistet ist, das Infotainmentsystem gut ist, ob die Gangschaltung richtig funktioniert usw. . Du erfreust dich am Geruch des Neuwagens und an dem Gefühl auf deiner Hand, wenn du über die neuen Ledersitze streichst. Das alles entspricht deiner User Experience während der Nutzung. Wenn alles passt, spricht man auch von einer positiven UX.
UX nach der Nutzung
Die User Experience endet nicht, wenn der Nutzer seine Aufgabe “Autokauf” oder “Auto fahren” abgeschlossen hat. Auch nach dem Kauf oder der Nutzung eines Produkts geht die UX weiter.
Nach der Nutzung spielen nämlich Erwartungen eine weitere Rolle. Zum Beispiel, wenn wir heute etwas in einem Webshop bestellen oder ein Formular zur Registrierung absenden. Wir erwarten dann eine Empfangsbestätigung, dass alles geklappt hat und wir uns entspannt zurücklehnen können. Bleibt diese aus, dann sind wir verwundert oder gar verunsichert. Wir erwarten ein Feedback vom System. Diese Empfangsbestätigung oder sogar eine Versandbestätigung gehören also zu einer guten UX dazu. In vielen Webshops wird man im Nachgang oft über die weiteren Prozessschritte informiert. Auch dies zahlt auf das Nutzererlebnis ein.
Der Paketdienst DHL bietet zum Beispiel die Möglichkeit der Statusverfolgung. Wir können jederzeit genau einsehen, wo sich unser Paket befindet und wann wir es endlich in den Händen halten werden. Aber selbst wenn unser gekauftes Produkt dann zu Hause angekommen ist, endet die UX noch immer nicht.
Ein gutes Beispiel stellen die sogenannten ‚Frustfreien Verpackungen‘ dar, die genau an diesem Touchpoint “nach der Nutzung” ansetzen. Die komplette User Experience wird nochmals beeinflusst und abgerundet. Aber was sind frustfreie Verpackungen? Viele Verpackungen sind schwer zu öffnen. Produktdesigner machen sich entsprechend Gedanken darüber, wie man Produkte besser verpacken kann. Wer schon einmal ein Apple Device bestellt hat, merkt schon an der Verpackung, dass er etwas ‘Besonderes’ gekauft hat. Schon die Verpackung wirkt edel und fühlt sich gut an, das Produkt wird innerhalb der Verpackung schön inszeniert. Als dies zahlt auf eine positive UX ein.
Weitere Beispiele sind: After Sales oder Kundensupport zu Dienstleistungen
Unser Beispiel vom Autokauf
Egal wie gut das Auto ist, das du dir gekauft hast, irgendwann ist es soweit und du musst zum Kundendienst. Es gehört einfach dazu. Man kann den Besuch der Werkstatt auch als eigenen Prozess ansehen. Aus der Vogelperspektive betrachtet, gehört aber auch dieser Besuch zum Nutzererlebnis eines Autokaufs hinzu.
Auch auf die Werkstatt bezogen gibt es Erwartungen und wiederum Momente, in denen wir uns freuen, weil wir sie nicht erwartet haben. Zum Beispiel wird in vielen Vertragswerkstätten das Auto zusätzlich etwas sauber gemacht. Das ist etwas, was einige von uns erwarten, andere wiederum nicht. Wer sein Fahrzeug gebraucht gekauft hat und zu einem Bekannten nebenan geht, um einen Ölwechsel vornehmen zu lassen, erwartet nicht, dass dieser auch noch das Auto reinigt. Und genau das sind die Aspekte was eine optimale User Experience ausmacht.
Fazit
User Experience ist das allumfassende Nutzererlebnis, das ab dem ersten Touchpoint bis zum letzten Touchpoint einer Customer Journey zum Tragen kommt. User Experience stellt das umfassendes Nutzererlebnis mit dem Produkt, dem System oder den Dienstleistungen eines oder mehrerer Unternehmen dar. Je nachdem in welchem Abschnitt des Nutzererlebnisses sich der Kunde gerade befindet, spielen jeweils andere Aspekte eine Rolle. Die Usability (=Gebrauchstauglichkeit) spielt meist nur während der Nutzung eines Systems eine übergeordnete Rolle. Das Design sollte über den gesamten Prozess hinweg vereinheitlicht sein, um die Marke und die Identifikation zu stärken. Das Design muss vor allem den Erwartungen entsprechen. Egal in welchem Teil des Prozesses Optimierungsbedarf besteht, die Methoden von UX können darauf angewandt werden und helfen das gesamte Nutzererlebnis zu verbessern.
Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/User_Experience: abgerufen am 22.01.2019
- Christoph Keese: Silicon Germany: Wie wir die digitale Transformation schaffen, Auflage 1, Albrecht Knaus Verlag, 2016
- Steve Krug: Don’t make me think: A Common Sense Approach to Web Usability, Revised Edition, New Riders, 2013.
- DIN EN ISO 9241-11 Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 11: Gebrauchstauglichkeit: Begriffe und Konzepte (ISO 9241-11:2018); Deutsche Fassung EN ISO 9241-11:2018
Ausgabe 2018-11 - DIN EN ISO 9241-210 Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme (ISO 9241-210:2010); Deutsche Fassung EN ISO 9241-210:2010 Ausgabe 2011-01
Tag:ISO Norm 9241, Usabililty, User Experience, UX