Was kann ein UX Konzepter von ToDo – Listen lernen
Wir alle kennen das. Es gibt Tage, an denen haben wir einen vollen Schreibtisch, einen noch volleren Terminkalender sowie private Termine und Verpflichtungen. Genau dann kommt der nette Kollege oder die nette Kollegin um die Ecke und bittet uns um einen Gefallen. Wir schauen auf die Uhr und stellen fest: “Verdammt, heute Abend kommen Freunde zu Besuch und ich muss noch einkaufen gehen.”
In solchen Situationen verlieren wir oft den Überblick und jeder von uns hat andere Strategien entwickelt, um sich selbst und seine Aufgaben zu strukturieren. Eine Methode, die wir alle kennen und lieben oder hassen gelernt haben, ist das Schreiben einer ToDo-Liste.
Relevanz von ToDo – Listen
Wie wichtig für uns diese Listen sind, zeigt unter anderem der Kauf von 6Wunderkinder durch Microsoft im Jahr 2015 *. 6Wunderkinder hatte die damalige und auch noch heute beliebte App ‚Wunderlist‘ in Ihr Portfolio aufgenommen. Mit Wunderlist lassen sich schnell und einfach ToDo – Listen erstellen. Und schon damals hatten über 10 Millionen Nutzer einen Account.
ToDo – Listen erfüllen von sich aus fast alle 7 Dialogprinzipien für gute Usability und haben eine sehr gute User Experience.
Warum erstellen wir ToDo – Listen
Reminder – Funktion
Die meisten von uns nutzen ToDo – Listen als Gedächtnisstütze. Bei unseren Großeltern hießen die ToDo – Listen noch Einkaufslisten, aber prinzipiell erfüllten sie den gleichen Zweck. Wir notieren auf diesen Listen die Dinge, die wir nicht vergessen wollen.
Jeder gestaltet seine Liste ganz individuell. Einige machen diese analog und streichen die erfüllten Aufgaben durch. Andere machen kleine Häkchen hinter die einzelnen Punkte. Wieder andere machen kleine Checkboxen vor die einzelnen Punkte und wieder andere bauen sogar einige Untergruppen und Unteraufgaben ein.
Wieder andere nutzen digitale Services. Dabei kann man auch gemeinsame ToDo – Listen pflegen. Auch eine gemeinsame Einkaufsliste in der WG ist denkbar. Kleinere Startups nutzen oft intern ToDo – Listen, um ihren Prozessfortschritt zu tracken. Stark vereinfacht gesagt, ist ein Kanban Board oder ein SCRUM Board auch nichts anderes, als eine riesige ToDo – Liste.
Wir nutzen die ToDo – Liste auch gerne als externen Arbeitsspeicher. Das lässt sich vor allem durch den Zeigarnik Effekt gut zeigen. Dieser sagt aus, dass wir uns an unterbrochene Aufgaben wesentlich besser erinnern können, als an bereits abgeschlossene. Dieser Effekt zeigt sich vor allem dann gut, wenn wir mal wieder den Stift beim Einkaufen vergessen haben, um die schon im Wagen befindlichen Produkte durchzustreichen. Wenn wir uns die Einkaufsliste selbst geschrieben haben, können wir uns besser an diese Produkte erinnern.
Fortschrittsanzeige
Usability gerechte Systeme zeigen ihren Status, in dem sie sich befinden, kontinuierlich an. Eine ToDo – Liste macht dies auch. Auf einen Blick lässt sich erkennen, welche Aufgaben schon abgeschlossen sind und welche Aufgaben noch offen sind.
Glückshormone
Ein weiterer Effekt den ToDo – Listen hervorrufen sind sogenannte Glückshormone. Vor allem Dopamin wird in unserem Gehirn ausgeschüttet, wenn wir eine Aufgabe von der Liste streichen können*. Dies ist ähnlich zum Essen eines Stücks Schokolade. Ein befriedigendes Gefühl. Für einen UX Konzepter sind diese Glückshormone sehr wichtig. Sie steigern die UX bzgl. eines Produkts oder einer Dienstleistung.
Ein kleiner Nachteil hat Dopamin: Es macht hochgradig süchtig.
Was können UX Konzepter daraus lernen
Viele Systeme, die wir u.a. auch digital nutzen, beinhalten Aufgaben und Teilaufgaben. Einige Interaktionen sind, genauer betrachtet, ToDo – Listen. Dazu gehören zum Beispiel Checkout – Prozesse, Formulare oder Dashboards.
Checkout – Prozess
Checkout – Prozesse sind mittlerweile fast schon standardisiert. Die meisten dieser Prozesse machen sich die positiven Eigenschaften einer ToDo – Liste zunutze.
Checkout – Prozesse zeigen dem Nutzer kontinuierlich den Status an bzw. stellen eindeutig visuell dar, in welchem Prozessschritt er sich gerade befindet. Zudem zeigen sie dem Nutzer, welche Aufgaben (=Prozessschritte) er noch nicht erledigt hat. Die kleinen Haken, oder das Einfärben der einzelnen Schritte geben dem Nutzer sofort Feedback darüber, welche Punkte er bereits erfolgreich bearbeitet hat.
Der Nutzer muss nicht selbst daran denken, welche Teilaufgaben er noch zu erfüllen hat. Er wird durch den Prozess geführt. Was viele Checkout – Prozesse aber noch verbessern können, wäre die abschließende Seite am Ende des Prozesses.
Einige diese Seiten beinhalten lediglich: „Die Bestellung ist eingegangen.“ Das ist zwar die notwendige Information, die der Nutzer benötigt, dabei wird es aber wohl weniger zu echten Glücksgefühlen kommen. Seid an dieser Stelle kreativ. Spendiert eurem Nutzer zumindest einen dicken fetten grünen Haken und teilt ihm mit, dass er erfolgreich war.
Formulare
Formulare sind nervig. Ich persönlich kenne niemanden, der das Ausfüllen von Formularen als Hobby angeben würde. Aber gerade im Webumfeld habt ihr die Möglichkeit Formulare anders zu gestalten, wie es sonst bei Behörden und Versicherungen oft der Fall ist.
Die meisten Nutzer sind beim Ausfüllen von Formularen stark verunsichert und wollen keine Fehler machen. Abgesehen von einer guten Validierung, können auch hier die Prinzipien der ToDo – Liste helfen, um die UX und die Usability innerhalb des Formulars zu steigern.
Ihr könntet zum Beispiel ein längeres Formular in mehrere kleinere Einzelschritte aufteilen. Ähnlich einer ToDo – Liste mit Unteraufgaben. Jetzt habt ihr die Möglichkeit wieder mit den bewährten Mitteln zu arbeiten. Seht jedes einzelne Teil als einzelne Aufgabe innerhalb einer ToDo – Liste an. Hakt diese Aufgaben dann Schritt für Schritt ab. Gebt dem Nutzer bei jeder einzelnen Teilaufgabe Feedback. Wenn er ein Dokument hochladen musste, spendiert ein kleines Feedback, dass der Upload erfolgreich war.
Auch bei Formularen solltet ihr dem Nutzer nach dem Versand des Formulars mitteilen, dass er die Aufgabe nun erfolgreich gemeistert hat. Die meisten Nutzer sind oft froh, wenn das Formular versandt wurde. Gratuliert ihm dazu. Die Tonalität kann hier den Nutzer noch einmal gut abholen und ihm ein Gefühl von Sicherheit und Stolz vermitteln.
Dashboards
Dashboards werden meist als zentrale Navigation genutzt, um von dort aus in verschiedene Teilbereiche des Systems zu kommen oder um unterschiedliche Informationen auf der Website gebündelt anzuzeigen. Meist befinden sich in diesen Teilbereichen Aufgaben oder spezifische Informationen für den Nutzer. Das Dashboard hat die Möglichkeit die Erfüllung der einzelnen Aufgaben gut zu tracken und Fortschritte in den bestimmten Teilbereichen wiederzugeben.
Eine Möglichkeit, die man auf dem Dashboard gut einrichten kann, ist eine Priorisierung der einzelnen Aufgaben für den Nutzer oder eben, dass sich der Nutzer selbst Aufgaben schreiben kann. Viele Dashboards verwenden die Möglichkeiten von ToDo – Listen. Oft werden allerdings die ‚Glückshormone‘ vergessen. An dieser Stelle würden Gamification Ansätze weiterhelfen. Badges, Leadership Boards oder andere Formen von Gamification sind an dieser Stelle und je nach Produkt denkbar.
Gamification ist hauptsächlich dazu gedacht, den Nutzer zu motivieren*. Für das Erreichen eines bestimmten Ziels oder das Lösen bestimmter Aufgaben, können diese Ansätze helfen, die Glückshormone in unserem Gehirn freizusetzen.
Fazit
ToDo – Listen bringen von sich aus eine gute Usability und eine sehr gute UX mit. Wenn du dir bei einem UX Konzept die drei wertvollsten Eigenschaften einer ToDo – Liste zunutze machst, Erinnerung, Statusanzeige und Ausschüttung von Glückshormonen, dann steigerst du die Usability deines Systems und damit auch die UX. Gamification kann je nach Produkt oder Dienstleistung helfen, die Ausschüttung von Dopamin noch zu steigern.
Quellen
- Brian Burke: Gamify – How Gamification motivates people to do extraordinary things. Bibliomotion 2014 , ISBN 978-1937134853
- https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article141776624/Microsoft-kauft-Berliner-Start-up-6Wunderkinder.html abgerufen am 21.03.2019
- https://blog.trello.com/the-psychology-of-checklists-why-setting-small-goals-motivates-us-to-accomplish-bigger-things angesehen am 22.03.2019
- https://de.wikipedia.org/wiki/Zeigarnik-Effekt angesehen am 22.03.2019