Usability Tests in UX: 6 einfache Schritte eines Standardablaufs
Zusammenfassung
Eine häufig verwendete Methode zur Evaluation und zur Optimierung der User Experience innerhalb des User Centered Design Prozesses, ist der Usability Test. Der Vorteil eines Usability Tests liegt vor allem darin, dass man mit schon wenig Versuchspersonen adäquate Einblicke und Ergebnisse zu einem Produkt erhalten kann. Ein weiterer Vorteil besteht vor allem darin, dass diese Form des Testens standardisiert abläuft und man mit genügend Erfahrung ohne großen Vorbereitungsaufwand seinen Usability Test durchführen kann. Dabei erlaubt der Usability Test auch Anpassungen im Testablauf. Ein Usability Test kann mit weiteren User Research Methoden angereichert werden, um die Fragestellungen des Tests adäquat zu untersuchen.
Im folgenden Artikel wollen wir euch einen standardisierten Ablauf zeigen, wie er auch in der Literatur (z.B. bei Steve Krug – Don’t make me think oder Rocket surgery made easy*) immer wieder erwähnt wird.
Der Usability Test: Eine Übersicht
Ein Usability Test sollte normalerweise nur 60 Minuten dauern, da diese für die Teilnehmer teilweise sehr anstrengend sein können. Auch für den Moderator und den Protokollanten sind diese Testsituationen, aufgrund der notwendigen hohen Konzentration, kognitiv belastend. Es wird empfohlen einen Usability Test unter 90 Minuten abzuhalten. Dass ein Usability Test auch wesentlich kürzer sein kann, könnt ihr auch in dem Artikel: “Speed Usability Test: Günstig 6 Probanden in 90 Minuten testen” nachlesen.
Usability Test Standardablauf
- Begrüßung (5 Minuten)
- Pre-Session Interview (5 Minuten)
- Freie Exploration (5 Minuten)
- Testaufgaben (35 Minuten)
- Post-Session Interview (5 Minuten)
- Verabschiedung (5 Minuten)
Hallo und herzlich willkommen zu unserem Usability-Test
Die Begrüßung wird in vielen Testplänen leider oft vergessen. Aber auch einen Usability Test selbst, kann als Nutzererlebnis betrachtet werden und so solltest du auch dafür eine gute User Experience bieten. Dies gilt vor allem, wenn der Test in der eigenen Firma stattfindet. Wenn das der Fall ist, dann ist der Usability Test ein Touchpoint des Nutzers mit der Firma oder der Marke, die ihr gerade untersucht. Aber auch wenn ihr den Usability Test extern durchführen lasst, sollte die Begrüßung mit im Testablaufplan stehen.
Begrüßung zum Usability Test
Bei der Begrüßung holt man den Nutzer ‚ab‘. Dem Versuchsteilnehmer wird dabei die Nervosität genommen. Auch wenn der Teilnehmer selber nicht getestet wird, so sind viele doch oft nervös. Ihr müsst bedenken, dass eure Versuchsteilnehmer bestimmte Erwartungen an den Test haben. Wie bei jeder anderen Dienstleistung und jedem anderen Produkt gilt es auch hier, diese Erwartungen zu erfüllen und unter Umständen Fehlannahmen von vorne herein zu beseitigen. Nehmt euren Teilnehmern die Nervosität oder sogar die Angst.
Zur Begrüßung gehört aber auch dem Teilnehmer klar zu machen:
- Dass hier ein Produkt getestet wird und nicht er. (= senkt die Nervosität bzw. Angst.)
- Was das Ziel der Untersuchung ist. (= sag dem Teilnehmer, warum er bei dir ist.)
- Was ein Usability Test ist und was auf ihn zukommt. (= Erkläre ihm, was er machen muss.)
- Dass eine Thinking Aloud Methode genutzt wird. (= Erkläre dem Teilnehmer, warum du ihn dazu aufforderst.)
Wichtigster Bestandteil des Usability Tests: Thinking Aloud
Beim Thinking Aloud wird der Teilnehmer darum gebeten, seine Gedanken laut auszusprechen. Das fällt vielen Teilnehmern erstmal sehr schwer. Die Thinking Aloud Methode ist allerdings ein wesentlicher Bestandteil eines Usability Tests. Daher ist der Moderator während des gesamten Usability Tests dazu angehalten, dem Teilnehmer immer wieder darauf hinzuweisen, dass dieser seine Gedanken laut äußern soll.
User Experience im Usability Test
Unabhängig davon, solltet ihr dem Teilnehmer Getränke und eine Kleinigkeit zum Naschen anbieten. Ein paar Kekse, gerne auf einem separaten Teller serviert, sind dabei immer gerne gesehen. Wichtig ist auch, dass zumindest etwas zuckerhaltiges für den Teilnehmer erreichbar ist. Über die gesamte Zeitdauer wird der eine oder andere Teilnehmer immer müder und ein kleiner Zuckerschub hilft da oft weiter.
Was sonst noch zu einer guten UX eines Usability Tests führt, ist ein gut klimatisierter Raum. Es sollte im Winter nicht zu kalt sein und im Sommer solltet ihr in einem Raum testen, der nicht von der Sommerhitze aufgeheizt ist. Achtet auch darauf, dass die Sonne nicht direkt in euren Monitor scheint, denn das macht den Test für euren Teilnehmer nur schwerer.
Das Pre-Session Interview im Usability Test
Nachdem sich der Teilnehmer gesetzt hat und alle bereit sind anzufangen, kannst du dem Teilnehmer Vorabfragen stellen. Die ersten Fragen sollten recht einfach sein, vergleichbar mit der Schwierigkeit der ersten Fragen in der bekannten Fernsehsendung: „Wer wird Millionär“. Der Nutzer soll dabei seine restliche Nervosität ablegen.
Typische Fragen an dieser Stelle sind vor allem demografischer Natur. Das können z.B. Fragen über das Alter, das monatliche Einkommen oder des Bildungsabschlusses sein. Im Rahmen der Testökonomie empfehlen wir, nur Fragen zu stellen, die im Anschluss auch bedeutsam für die weitere Entwicklung des Produkts sind. Möglich sind auch Fragen, die dabei helfen Nutzergruppen und/ oder Personas zu validieren, welche ihr am Anfang eures User Centered Design Prozesses erhoben und erstellt habt.
Nach den typischen demografischen Fragen folgen Fragen zu den Erwartungen des Nutzers an das Produkt, die Dienstleistung oder über die Marke an sich. Diese Erwartungen sind vor allem wichtig, wenn es am Ende der Auswertung darum geht, zu falsifizieren oder validieren, ob auch wirklich alle Nutzeranforderungen erfüllt wurden. Die Erwartungen eurer Kunden sind ein wesentlicher Bestandteil über deren Nutzererlebnis mit euch, eurer Dienstleistung oder eurem Produkt.
Freie Exploration
Bevor der Nutzer mit gezielten und speziellen Aufgaben beginnen kann, wird empfohlen, diesen erst auf der Seite frei explorieren zu lassen. Dabei erhaltet ihr meist schon erste Hinweise auf das Gedankenmodell (mentales Modell) eures Nutzers.
Die freie Exploration ist meist aus Aufwandsgründen nur bei Live – Systemen möglich, da Prototypen meist nicht alle Strukturen einer vollständigen Webseite abbilden. Sollte allerdings die Möglichkeit bestehen, den Nutzer frei explorieren zu lassen, solltet ihr dies nutzen. Oft kommen hier Themen zur Sprache, an die man vor dem Usability Test gar nicht gedacht hat.
Ein weiterer Bestandteil dieses Abschnitts ist es auch, dass die Teilnehmer lernen, laut zu denken. Da dies nicht dem gewohnten Verhalten entspricht, fällt dies oft sehr schwer. Der Moderator hat zudem hier die Möglichkeit sich auf seinen Teilnehmer einzustellen.
Das Herzstück: Die Testaufgaben des Usabililty Tests
Das Herzstück von Usability Tests sind die Testaufgaben. Die Testaufgaben benötigen, wenn man sich stets am User Centered Design Prozess nach ISO Norm 9241-210 orientiert, meist keine größere Vorbereitung. Das liegt vor allem daran, dass die unterschiedlichen Szenarien, Aufgaben und Ziele der Nutzer aus dem User Requirements Engineering schon hinreichend bekannt sein sollten.
Oftmals ist es aber in der Praxis so, dass dem User Centered Design Prozess leider nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. So oder so gilt für gute Testaufgaben:
- Spezifische Szenarien abtesten.
- Hauptszenarien sind wichtiger als Nebensächlichkeiten.
- Meist nur 2 Testaufgaben pro Session ansetzen.
- Der Nutzer wird in alle relevanten Systembereiche geführt.
- Die Szenarien müssen dem Aufgabenkontext der späteren Nutzung entsprechen.
- Sie enthalten alle notwendigen Informationen, die zur Lösung notwendig sind.
- Narrationen helfen dem Teilnehmer.
Die Testaufgaben eines Usability Tests sollten narrativ beschrieben werden. Eine Narration hilft den Probanden sehr, sich in das Szenario hineinzuversetzen. Je näher das Szenario am eigentlichen Nutzungskontext ist, desto besser ist das für den Usability Test und die Ergebnisse.
Persönliche Vorbereitung zum Usability Test
Um die Länge einer Aufgabe einzuschätzen, benötigt man etwas Übung. Wir empfehlen an dieser Stelle, falls ihr noch nicht allzu häufig einen Usability Test gemacht habt, einen Usability Test vorab mit Kollegen oder Freunden zu proben. Dadurch bekommt ihr ein Gefühl dafür, ob die Testaufgaben insgesamt ca. 35 Minuten dauern.
Falls eure Szenarien für einzelne Aufgaben zu kurz sind, oder ihr unsicher seid, könnt ihr optional noch weitere Aufgaben vorbereiten. Diese sind vielleicht nicht ganz so wichtig, haben aber dennoch eine Relevanz für euch. Bedenkt, dass ihr 35 Minuten habt. Ihr solltet nicht überziehen, aber wenn ihr schon einen eurer Nutzer bzw. Kunden bei euch sitzen habt, dann nutzt diese Zeit sinnvoll.
Wenn euer Teilnehmer viele Daten in euer System eingeben muss, dann solltet ihr ihm das Szenario am besten auf einer Karteikarte schriftlich vorlegen. Damit verringert Ihr den Workload im Arbeitsgedächtnis eures Teilnehmers. So kann sich dieser voll und ganz auf euer System konzentrieren und muss sich nicht zwanghaft alle Daten merken.
Beispiel für eine Testaufgabe eines Usability Tests auf einer Website zum Reise buchen:
Stellen Sie sich vor, Sie würden gerne in 2 Monaten für 2 Wochen in den Urlaub fahren. Sie haben beschlossen, dass Ihr Reiseziel Teneriffa sein soll. Suchen Sie nun bitte das für Sie passende Hotel aus und buchen Sie es.
Post-Session Interview oder UX Fazit
Am Ende des Usability Tests solltet ihr euren Teilnehmern noch einmal die Möglichkeit bieten ein Fazit zu ziehen. Es hilft oftmals die gesamten Eindrücke in eine bestimmte Referenz zu setzen. Viele Auswertungen klingen erst einmal sehr negativ. Wenn der Nutzer dann aber ein Fazit zieht, fällt es oftmals positiver aus, als man das während des Usability Tests die vorherige Stunde wahrgenommen hat.
Auch hat euer Teilnehmer an dieser Stelle noch einmal die Möglichkeit zu erwähnen, was er persönlich sehr gut gefunden hat. Das gewährleistet, dass ihr am Ende nicht Dinge an eurem System ändert, welche euren Kunden sehr gut gefallen.
Das Post-Session Interview besteht hauptsächlich aus allgemeinen Fragen zum System. Zum Beispiel:
- Was findest du besonders gut?
- Was findest du nicht so gut? Wo würdest du dir etwas anderes vorstellen?
- Gibt es etwas, was du uns bisher noch nicht gesagt hast, was du aber noch erwähnen möchtest?
- Gab es einen Moment, an dem du abgebrochen hättest/ oder die Seite gewechselt hättest?
- Hat das System deinen Erwartungen entsprochen?
Tschüss, und danke für deine Zeit
Auch die Verabschiedung eines Gastes gehört zu einem Usability Test. Wie schon anfangs erwähnt, ist es auch hier wichtig, dass der Kunde sich wohl fühlt. Eine Evaluation von einem Produkt ist immer auch ein Touchpoint in der Costumer Journey eines Kunden. Um einer Marke ganzheitlich zu einer guten User Experience zu verhelfen, gehört es auch dazu, dass man seinen Gast angemessen verabschiedet.
Das Wichtigste hierbei ist, dass ihr eurem Teilnehmer für seine Zeit und seinen wertvollen Input dankt. Es ist nicht selbstverständlich, dass jemand an solchen Studien und Usability Tests teilnimmt. Das werdet ihr spätestens dann feststellen, wenn ihr für den nächsten Usability Test wieder Teilnehmer rekrutieren müsst. Daher nehmt euch die Zeit um euren Teilnehmern zu danken.
Fazit
Der Usability Test hat einen flexibel gestaltbaren Ablauf, an dem man sich immer orientieren kann. Je nachdem welches Ziel du mit dem Test verfolgst und welche zusätzlichen User Experience Methoden dafür verwendet werden, lässt sich der Ablauf anpassen. Die Testaufgaben sind frei und variabel gestaltbar um die User Experience (UX) des Nutzers für jedes Produkt individuell untersuchen zu können.
Quellen
Steve Krug: Don’t make me think: A Common Sense Approach to Web Usability, Revised Edition, New Riders, 2013.
Steve Krug: Rocket Surgery Made Easy: The Do-it-yourself Guide to Finding and Fixing Usability Problems, Auflage 1, New Riders, 2009.